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Das Hotel Bellevue in Dresden – Die Top-Adresse der Stadt und seine prominenten Gäste
Das im Jahr 1985 eröffnete Hotel Bellevue in Dresden, direkt neben dem Japanischen Palais gelegen, gilt vielen als das bekannteste der acht ehemaligen Interhotels der Stadt, welches auch heute noch betrieben wird. Dass ein gleichnamiges Hotel bereits früher, nämlich von 1853 bis 1945, auf der gegenüberliegenden Elbseite existiert hat, wissen dagegen nur wenige.
Das ursprüngliche Hôtel Bellevue befand sich in der ehemals Großen Packhofstraße 1–3 „mit grösserem Garten in überaus schöner Lage, unmittelbar am Elbstrom und in der Nähe der Monumentalbauten am Theaterplatz“. Es wurde ursprünglich von 1817 bis 1820 auf den Mauern der ehemaligen Festungsanlage gebaut und war einer der ersten Industriebauten Dresdens. Bevor es 1853 zum Hotel umgebaut wurde, betrieb Heinrich Wilhelm Calberla (1774–1836) hier ab 1820 die erste Zuckerraffinerie Sachsens. Das Gebäude befand sich auf einem 6000 m² großen Grundstück und hatte mehrere miteinander verbundene Einzelgebäude, die über Eck gebaut waren.
Von Beginn an gehörte das Hotel zu den besten Häusern Dresdens. Seine komfortable Ausstattung mit wertvollen Teppichen, seltenen Porzellanen, Gemälden und Skulpturen, Hausbibliothek, Salons für Besprechungen sowie ein elektrischer Aufzug und moderne WCs wurden von wohlhabenden Besuchern sehr geschätzt. Zu den Gästen zählten Mitglieder des europäischen Hochadels, Politiker und Gesandte ausländischer Monarchen. Häufig wurden Gäste des Dresdner Hofes hier einquartiert, wenn sie nicht im Residenzschloss oder in der Villa Strehlen unterkommen konnten. Zeugnis hiervon gibt ein Gästebuch des Hotels, welches die SLUB bei einer Auktion in Österreich erwerben und bereits digitalisieren konnte. Unter den etwa 700 Einträgern findet sich beispielsweise Wilhelmina, Königin der Niederlande, die bereits im Alter von zehn Jahren gekrönt wurde und die erste Frau auf dem niederländischen Thron und im Mai 1900 zu Gast in Dresden war ( Eintrag auf S. 20r gemeinsam mit Ihrer Mutter, Königin Emma).
Im Jahr 1900 fand sich auch der damalige französische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand von Österreich-Este, gemeinsam mit seiner Gattin Herzogin Sophie von Hohenberg im Hotel Bellevue zu einem mehrtägigen Besuch ein. Am 30.11.1900 reiste das Paar nach einem 10-tägigen Aufenthalt über Prag zurück nach Wien. Ein weiteres Mal findet sich der Eintrag des österreichischen Thronfolgers im Februar 1914 im Gästebuch des Hotel Bellevue, nur wenige Wochen bevor beide beim Attentat von Sarajevo ums Leben kamen.
Franz Ferdinand kam am 18.2. „… im Inkognito des Grafen von Artstetten“ in Dresden an und besuchte am Abend gemeinsam mit Karl Graf von Wuthenau-Hohenturm, der bis 1914 als Oberstleutnant in der Preußischen Armee und später im Ersten Weltkrieg noch einmal als Oberst eines Reserve-Regiments diente, das Central-Theater auf der Waisenhausstraße, um die Operette Die Kinokönigin von Jean Gilbert mit dem Libretto von Georg Okonkowski und Julius Freund zu erleben. Man hatte für die Dresdner Inszenierung die berühmte österreichische Sopranistin Fritzi Massary als Gast engagiert und feierte bei der Uraufführung am 3. Januar 1914 einen „Saisonerfolg“. Weiterhin besuchte der österreichische Thronfolger gemeinsam mit seiner Gattin den sächsischen König Friedrich August III.
Über das Speisenangebot im Hotel Bellevue zu Beginn des 20. Jahrhunderts geben Menükarten Auskunft, die sich im Bestand des Deutschen Archivs der Kulinarik befinden. So wurde am 1. Juni 1909 eine Spargelsuppe nach Buffon (mit Rahm, Hühnerfleischklößchen und Spargelspitzen), ein gekochter Kabeljau mit Senfbutter, ein Lammviertel auf russische Art mit Bratkartoffeln, ein Kromeskies (mit Speck ummantelte Kroketten) auf Herzogin Art, gebratene italienische Hühner mit Kopfsalat, Spinat mit Eiern, Aprikosen mit Reis, Käse und Butter sowie ein Nachtisch serviert.
In jedem Fall bieten die Bestände des Deutschen Archivs der Kulinarik viel Material für die Forschung und die interessierte Öffentlichkeit.
Zur Erschließung bzw. Transkription des erworbenen Gästebuches haben wir nun ein Projekt auf der Online-Plattform Wikisource gestartet, welches Interessierten die Möglichkeit gibt, nicht nur virtuell im Goldenen Buch zu blättern, sondern auch am Entziffern der unzähligen Einträge berühmter Hotelgäste mitzuwirken.
Nehmen Sie bei Interesse gerne Kontakt zu Thomas Stern auf, der Ihnen Näheres erläutern kann.

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